Horst Ebenhöh

Konzertabend mit einführender Diskussion

Ausstellung

Wien 1982, 27 S., Ill., Notenbeisp.

 

 

Inhalt:

Seite:

   

Horst Ebenhöh über sich selbst

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Programmfolge des Konzertabends

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Theophil Antonicek: Horst Ebenhöh

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Horst Ebenhöh – Werkverzeichnis

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Die Ausstellung [Bearbeitung Liselotte Theiner]

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Selbstdarstellung:

Weder rücksichtslos bin ich noch bedenkenlos. Egoist bin ich sicher. Doch halte ich die Meinung anderer stets wichtiger als die eigene.
Widersprüche? Ich habe allmählich gelernt, eine Trennung vorzunehmen zwischen den realen Lebensanforderungen, zu denen mein Beruf und meine Familie gehören, und der Welt meiner musikalischen Vorstellungen. Ich will nicht verheimlichen, daß ich an der Erfüllung der Forderung leide, häufig die beiden Hälften meines Ichs tauschen zu müssen.
Schon als Kind war ich gerne Einzelgänger. Im ersten Lebensjahrzehnt von meinen Eltern als Einzelkind mit liebevoller Strenge umsorgt, materiell nie verwöhnt, konnte ich mich anschließend der Eingliederung in die Masse entziehen. Es war die Zeit, da ich als Zögling im Schülerheim der westböhmischen Stadt Mies allein Wanderungen unternahm; es war die Zeit, da ich keine Möglichkeit hatte zum Klavierüben und trotzdem bei einem Wettbewerb in Reichenberg Preisträger wurde. Später, während der drückenden materiellen Sorgen der frühen Nachkriegszeit, darf ich als Beispiel meines Individualismus eine Solo-Reise per Rad an die Nordsee und zurück nennen. Auch meine späteren Bergerlebnisse gehören dazu.
Rückblickend glaube ich, daß durch die Fülle der eigenen Gedanken und Phantastereien kein Bedürfnis vorhanden war nach weiterer Zerstreuung und Unterhaltung. Nie galt ich als geselliger Mensch, wenn ich mich auch bis heute bemühe, in Gesellschaft kein Spielverderber zu sein.
So gut sie es konnten, hatten meine Eltern die realen und die phantastischen Anlagen in mir gefördert. Durch ein zielstrebiges Studium konnte ich meinerseits nun die materielle Absicherung unseres Lebens schaffen. Ich konnte nicht ahnen, daß die Annahme einer Lehrstelle in Krems den Komponisten in mir behindern sollte. Bedenkenlos ließ ich die in Wien vorhanden gewesenen persönlichen Verbindungen und Bekanntschaften verkümmern. Es war die Zeit (1953-1962), in der ich viel als Kammermusik-Pianist tätig war, in der ich zahlreiche Aufführungen initiiert habe, von Solo-Abenden bis zu mehreren szenischen Opernaufführungen. Nach dreizehn Jahren Tätigkeit in Niederösterreich (das mir zur zweiten Heimat geworden ist) mußte ich erkennen, daß ich nach Wien gleichsam als Neuling, als schon wieder Unbekannter zurückkehrte.
Vorher konnte ich bei den Jugendkulturwochen in Innsbruck gute Kritik und Publikumserfolg für meine dort aufgeführten Werke bekommen, wurde aber von der sich dort etablierenden Avantgarde-Gruppe als „Romantiker" beschimpft. Ich befand mich zwischen den Fronten: von der Avantgarde verachtet und von einem zweifellos zur Tradition hin orientierten „romantischen Realisten" (wie er sich selbst bezeichnete) Joseph Marx als verrückter Neutöner verschrieen. Als Komponist war ich heimatlos. Ich suchte und fand nie Anschluß an eine Gruppe, wenn man von den wenigen Jahren der „Arbeitsgemeinschaft Junge Komponisten" absieht (frühe 50er Jahre), wo Kompositionen u.a. von Brandstätter, Cerha, Polzer, Pühringer, Prem, Temnitschka und Trunkenpolz aufgeführt wurden.
Vereinzelte Versuche, eine weitergehende Werkförderung zu erreichen, blieben erfolglos. Mit Ausnahme der Finanzhilfe zur Drucklegung des Klavierauszugs meiner Oper „Sultan zu verkaufen". Sicher bin ich ein schlechter Manager meiner eigenen Werke. Weitgehende Werkförderung mittels Preisen gibt es selten. Die zahlreichen inländischen Kompositionspreise waren zwar finanziell willkommen, doch schloß sich an keinen der größeren Preise eine Förderung der gepriesenen Komposition an. Das Bundesministerium für Unterricht und Kunst ist trotz des öffentlichen Versprechens des Bundesministers anläßlich des Festaktes zur Verleihung des Staatlichen Förderungspreises 1972 (früher "Staatspreis" genannt) bis jetzt die Aufführung der damals preisgekrönten Werke schuldig geblieben. Anders im Ausland: Ein "Premio Citta di Trieste" beinhaltete die dortige Uraufführung meiner "Symphonie op. 34"; sie wurde dann in Österreich mehrmals nachgespielt.
Hätte ich keine Aufführungserfolge, ich würde trotzdem komponieren. Nur würde ich mich wahrscheinlich zwingen, mehr als jetzt meiner Familie zur Verfügung zu stehen. Durch die Erfolge wird mein diesbezüglich schlechtes Gewissen nicht genügend beruhigt. Einen Mittelweg zu finden ist schwer, vielleicht sogar unmöglich. Den Willen dazu habe ich. Ob's genügt?
Da ich, wie oben erwähnt, meinen Werken wenig Förderungen und Empfehlungen mit auf die Reise geben kann, da meine Kompositionen aber beim Publikum erwiesenermaßen überdurchschnittlich gut ankommen, sehe ich gelassen und zufrieden in meine Komponistenzukunft. Wenn ich auch eine Empfehlung z.B. meiner beiden Opern gerne in Anspruch nähme: Vom Erfolg meiner Werke muß ich keinen Prozentsatz eines wie immer gearteten Lobby-Anteils abziehen!
Das Verhältnis zu Komponistenkollegen müßte ein feindschaftliches sein, was ihre Werke anbelangt. Sollte ich von ihnen konkordant angesprochen werden, müßte ich mit ihren Stil- und Ausdrucksmitteln arbeiten, müßten meine Intentionen beim Komponieren die gleichen sein wie ihre. Und ich stelle mit Befriedigung fest, daß meine musikalischen Vorstellungen anders sind als die mir bekannter lebende Komponisten.
Ich komme daher bei der Frage nach meiner persönlichen Einschätzung eines nicht von mir stammenden zeitgenössischen Werkes in Verlegenheit. Da es nicht meinen Intentionen entspricht, kann es auch nicht meine volle Zustimmung erhalten. Dennoch bin ich realistisch genug zu wissen, daß persönliche Maßstäbe durch die Linse des eigenen Geschmacks der Objektivität entzogen sind. Man erlaube mir, angesichts der Gefahren von Isolation und von verzerrter Selbsteinschätzung, meine eigenen Maßstäbe rücksichtslos und für mich ausschließlich gelten zu lassen. Niemand wird mir vorwerfen können, daß ich aus dieser Einstellung heraus ein Werk eines Komponistenkollegen verdammt hätte.
Meine Rücksichtslosigkeit beim Komponieren muß sich dem Hörer nicht offenbaren und bedarf daher einer Erklärung. Meine musikalischen Gedanken sind ausgerichtet auf alle akustischen Phänomene, die es gibt. Wenn ich z.B. Kollagen von Umweltgeräuschen nicht verwende, dann nur aus Gründen meines Geschmacks, Würde er sich dahingehend ändern, weitete ich bedenkenlos (in der Bedeutung von rücksichtslos) meine Musik dahingehend aus. Ich registriere mit viel Interesse die Versuche und Ergebnisse der Experimentalisten und lasse meinen Geschmack ungehindert davon beeinflussen. Ungehindert beeinflußt wurde und wird mein Geschmack aber auch von der Musik der Vergangenheit, ohne dabei die Hauptblickrichtung im Sinne des Rück-Sichtnehmens dorthin gewendet zu haben. Ich lasse mich ohne Zweifel von der Tradition beeinflussen. Für mich gibt es in die Vergangenheit und in die Zukunft keine Grenzen: Komponieren ist für mich grenzenlose Freiheit.
Primär beim Komponieren ist meine akustische Vorstellung. Als gefühlsabhängiger Komponist war daher die Beschimpfung "Romantiker" gerechtfertigt. Ich verheimliche keinesfalls meine ehemals romantischen Vorbilder: Ohne Bruch hat sich mein Kompositionsstil von damals zu meiner heutigen Ausdrucksweise entwickelt. Und ich bin überzeugt davon, daß ein aufgeschlossener Musikhörer allmählich diese Entwicklung nachvollziehen wird können.