Musikalische Dokumentation

Klaus Ager

Konzert-Ausstellung

Wien 1991, 32 S., Ill., Notenbeisp.

 

Inhalt:

Seite:

   

Programmfolge des Konzertabends

5

Klaus Ager: Zur Situation des Komponierens in unserer Zeit

7

Gunter Schneider: Klaus Ager – eine fragmentarische Annäherung

10

Klaus Ager – Werkverzeichnis

13

Literatur von und über Klaus Ager

18

Ager–Werke auf Schallplatten

19

Die Ausstellung [Bearbeitung Liselotte Theiner]

20

 

Selbstdarstellung:

A. Die Situation
Trotz mehr oder weniger kurzlebigen Aufflackerns des öffentlichen Interesses an zeitgenössischer Musik bei Festivals wie "MUSICA" in Straßburg, "Wien modern" in Wien oder Veranstaltungen in Huddersfield in Großbritannien, scheint die Situation der heutigen sogenannten "Ernsten" Musik durchaus schwieriger denn je:
Das Unverhältnis der Unterstützung älterer Musik (Musik, die vor 1920 entstanden ist) zu neuerer Musik durch die öffentliche Hand hat sich in den letzten 20 Jahren auf ca. 92 : 8 eingependelt. Das heißt, daß von 100 Schilling, die von der öffentlichen Hand (Bund, Länder, Städte) in die Musikförderung fließen, nur ca. 8 Schilling der Förderung zeitgenössischer österreichischer Musikproduktion, Aufführung und Verbreitung gewidmet sind.
- Auf der einzigen großen Musikbühne Osterreichs, der Wiener Staatsoper, ist die österreichische Musik nach 1945 nur sehr sporadisch vertreten.
- Bei den Theatern in den anderen Bundesländern ist die Situation kaum anders.
- Bei den großen Musikfestivals Osterreichs (Salzburger Festspiele, Wiener Festwochen, Bregenzer Festspiele usw.) spielt die Neue Musik bestenfalls
eine Alibirolle.
- Im Rundfunk, im Fernsehen gibt es sie - trotz gegenteiliger Beteuerungen der Verantwortlichen - eigentlich nicht mehr.
Auch an den Hochschulen hat sich die Situation - trotz durchaus begrüßenswerter legislativer Initiativen - nicht wesentlich verbessert.
Die Liste ließe sich beliebig verlängern. Auffallend dabei ist, daß sich die Probleme der heutigen sogenannten "Ernsten" Musik vollkommen gleichmäßig auf die verschiedensten Stilrichtungen, in denen sie sich präsentiert, verteilen: Es scheint für die öffentliche Akzeptanz gleichgültig, ob "schöne neue Musik", "postmoderne", "postserielle", "neoromantische", "experimentelle" oder was auch immer präsentiert wird: Weder ist die Förderung höher noch ist das Publikum zahlreicher. Zu den Problemen, die ich bisher skizziert habe, kommt ein weiteres, das in anderen europäischen Ländern schon seit einigen Jahren, in den USA schon seit vielen und in Österreich in den letzten Jahren immer deutlicher wird. Es handelt sich um die Frage der Akzeptanz verstärkter Förderung von "Klassik" (heute meist als "Classic" bezeichnet) im Vergleich zur sogenannten "U-Musik", oder anders und breiter ausgedrückt von "Hochkultur" im Vergleich zur "Tiefkultur" (?). In einer Zeit, in der Wert oder Unwert von Dingen, Tätigkeiten, Einrichtungen usw. in erster Linie über ihren finanziellen Ertrag beurteilt werden, in der Kulturereignisse ihre "Rentabilität" nachweisen müssen, in der Kultur zum Werbeträger für kommerzielle Zwecke verwendet werden muß, um sie noch finanzieren zu können, scheint die Argumentation für total unrentable Kunst - was zeitgenössische Musik unleugbar sein muß: Die Aufführung kostet viel mehr als die Aufführung älterer Musik, die Entstehung müßte eigentlich finanziert werden (wird sie aber oft einfach nicht - der Komponist wird also zum Hobby-Komponisten degradiert! -) und die Einkünfte sind normalerweise nachgerade vernachlässigbar! - außerordentlich schwer, wenn nicht unmöglich.
Wieder ist auffallend, daß die Akzeptanz der gezielten und verstärkten Förderung zeitgenössischen Musikschaffens eher in Frage gestellt wird als die Akzeptanz der weitaus höheren Förderung der älteren Musik. Dabei wäre doch hier auch im internationalen Vergleich viel eher die Frage zu stellen, wie lange sich ein kleines und nicht gerade reiches Land wie Österreich eine Staatsoper, die diversen Bühnen in Wien und den anderen Bundesländern, die großen Festspiele, die Unzahl der kleinen Festivals von Hohenems bis Grafenegg sowie die vielen Orchester noch leisten kann und will.
Im großen und ganzen kann gesagt werden - und da ich in vielen Bereichen der Musik tätig war, verfüge ich durchaus über die nötigen Informationen -, daß die Produzenten, die Verleger, die Veranstalter und auch die Interpreten, die sich neuer "klassischer" Musik widmen, eher bestraft als gefördert werden. In allen Bereichen gibt es Hürden und Beeinträchtigungen, die es im Bereich der alten Musik nicht gibt, darüber hinaus noch deutlich (92 : 8!) weniger Unterstützung.


B. Gründe
Natürlich ist das Thema so komplex, daß ich hier nur auf einige Details hinweisen kann, und zwar in erster Linie auf jene, die verhältnismäßig leicht verbesserbar wären - wenn man das wollte.
- Es gibt in diesem Land eigentlich keine Kulturpolitik, die diesen Namen verdienen würde. Das Lesen der Kunstberichte des Bundes und der Länder, des Vergleichens der Subventionen zeigt dies deutlich. Es fehlt - trotz der immer wiederkehrenden Regierungserklärungen, in denen schöne Worte zur Förderung zeitgenössischer Kunst gefunden werden - an den entsprechenden klaren Richtlinien. Offensichtlich hat niemand den nötigen Mut, genau zu definieren, was im Bereich der Musik eigentlich förderungswürdig sei, so daß möglichst wenig verhindert wird, aber auch nichts wirklich gefördert. Kulturbeiräte, Musikbeiräte wurden geschaffen, um Argumentationsnotstände zu vermeiden, nicht aber, um Weichen für eine zukünftige Kulturpolitik zu erarbeiten.
- Die Auslandskulturpolitik verdient diesen Namen sicherlich nicht. Bei der Durchsicht der Programme europäischer Festivals, die in der europäischen Konferenz zusammengefaßt sind, fand im Jahre 1990 außer mir keinen österreichischen Komponisten vertreten. In vielen internationalen Versammlungen fiel die österreichische Absenz auf. Internationale Projekte auf lange Sicht haben in Österreich kaum eine Chance auf Unterstützung und Verwirklichung.
- Die Situation der Komponisten in Österreich ist katastrophal. Nicht nur die Einkommenssituation durch AKM-Tantiemen und Aufträge, sondern auch die soziale Lage und versicherungsmäßige Absicherung ist in diesem Land, das heuer in nicht immer geschmackvoller Weise den 200. Todestag eines österreichischen Komponisten feiert (!), beschämend.
- Interessanterweise scheinen die Komponisten selbst nicht allzu unglücklich zu sein. Es gibt keinen gemeinsamen Aufschrei gegen diese Situation, es gibt nicht einmal eine starke Interessensvertretung, die auf Mißstände immer wieder hinweisen würde, die versuchen würde, die Situation zu verbessern. Statt dessen kämpft ein Verband verbissene Grabenkämpfe gegen einen anderen, in dem im großen und ganzen die gleichen Mitglieder vertreten sind. Die Komponisten bekämpfen sich also nicht nur untereinander, sondern wir haben es auch schon geschafft, gegen uns selbst zu kämpfen. Daß dies den Anliegen der Komponisten nicht gerade förderlich ist, liegt auf der Hand.
- Auffallend ist auch das schlechte Gewissen der Komponisten der sogenannten "E-Musik". In vielen Bereichen wird man immer wieder aufgefordert,
ein Thema nur nicht anzuschneiden, die Situation würde dadurch noch schwieriger. Heute meine ich, daß die Situation eigentlich nicht mehr schlechter werden kann. Für die zeitgenössische "Ernste Musik" ist die Talsohle erreicht, es kann nur aufwärts gehen. Die Alternative sollte eigentlich heißen: nicht mehr zu komponieren oder Musikantenstadl-Musik zu schreiben, was viel leichter wäre und viel lukrativer.


C. Verbesserungen
1. Eine Verbesserung der Situation kann nur erreicht werden, wenn es den
Komponisten in Österreich gelingt, gemeinsam - unabhängig von irgendwelchen stilistischen und vermeintlichen qualitativen Ansprüchen - an einem Strang zu ziehen. Das scheint mir eine unabdingbare Voraussetzung für eine mögliche Durchsetzung von irgendwelchen Verbesserungen.
2. Die finanzielle Basis für mögliche Förderungen muß vergrößert werden.
Eine Möglichkeit dazu wäre die Forderung nach dem "domaine public payant". Ich habe dazu ein Symposion in Salzburg Feber 1992 initiiert,
auf dem Lösungsmöglichkeiten für Österreich und auch international diskutiert und durchgesetzt werden sollen.
3. Auf allen Ebenen muß die österreichische Kulturpolitik diskutiert und verbessert werden. Nicht nur im Interesse der Neuen Musik, sondern im Interesse der Kultur und damit dieses Landes im ganzen müssen große Anstrengungen unternommen werden, um dem gegenwärtigen Kulturprovinzialismus entweichen zu können.